Bereits im ersten Antragszeitraum hatten wir ein generisches Reaktions-Diffusions-Modell vom Aktivator-Inhibitor-Typ entwickelt [34], welches ursprünglich für den senkrechten Ladungstransport durch geschichtete Halbleiterstrukturen wie die HHED abgeleitet wurde und welches typisch ist für eine große Klasse von räumlich ausgedehnten strukturbildenden Systemen in Physik, Chemie und Biologie. Eine globale Kopplung wird durch den angeschlossenen Laststromkreis vermittelt. Dieses Modell zeigt sowohl Frontdynamik [6] als auch komplexe und chaotische raum-zeitliche Szenarien [7]. Im Berichtszeitraum haben wir neue überraschende Ergebnisse und wesentliche Fortschritte in der systematischen Untersuchung der Chaoskontrolle raum-zeitlicher Muster durch zeitverzögerte Rückkopplungsverfahren (Pyragas-Kontrolle [1,40]) erzielt.
In dimensionslosen Einheiten haben die Modellgleichungen für das generische Modell
die Form eines Reaktions-Diffusions-Systems vom Aktivator-Inhibitor-Typ mit
globaler Kopplung. Wir haben dieses Modell erweitert durch Kontrollkräfte
und
[15]:
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Es sei zunächst
(keine Kontrolle). Komplexes und chaotisches Verhalten
ist im allgemeinen in
einem Parameterbereich zu erwarten, in dem gleichzeitig die Bedingungen
für eine räumliche (Sromfilament) und eine zeitliche (Hopf-Bifurkation)
Instabilität erfüllt sind, wie wir im räumlich
eindimensionalen Fall gezeigt haben [7]. Daraus ergab sich die Frage,
unter welchen Umständen analoges Verhalten in räumlich zweidimensionalen Systemen möglich ist. In Zusammenarbeit mit dem Gastwissenschaftler
W. Just (London) sowie dem Teilprojekt B6
konnten wir mit Hilfe einer
Amplitudenentwicklung der superkritischen Kodimension-Zwei-Bifurkation
zeigen, daß eine Koexistenz von Turing- und Hopfinstabilität in zwei Dimensionen
in einem (durch eine zweite diffusive Kopplung) lokal gekoppelten System
im allgemeinen nicht zu erwarten ist, es sei denn die
Systemgröße in einer der beiden Richungen ist so klein, daß sich eine
quasi-eindimensionale Dynamik ergibt [10].
Die generische Struktur der Gleichungen (1) und (2) liegt auch anderen Teilprojekten zu Grunde. Es ergab sich eine interessante Kooperation mit dem Teilprojekt B4, in dem ein elektrochemisches Modell zur Musterbildung auf Elektrodenoberflächen untersucht wurde: Ein detaillierter Vergleich mit unserem global gekoppelten Reaktions-Diffusions-Modell förderte erstaunliche Parallelen in den Szenarien der komplexen Raum-Zeit-Dynamik zu Tage [11]. Erweitert man das global gekoppelte zweikomponentige Reaktions-Diffusions-System durch eine dritte diffundierende Komponente, so können damit außer stationären, atmenden oder spikenden Stromfilamenten auch laufende Filamente (bzw. Domänen) beschrieben werden [27].
Wir betrachten nun den Fall
in einer Raumdimension. Dabei seien
die Systemparameter so gewählt, dass sich für
chaotisches
raum-zeitliches Spiking ergibt. Unser Ziel ist die Stabilisierung eines instabilen
periodischen raum-zeitlichen Orbits, welcher durch die Periode
und den
Floquetexponenten
charakterisiert ist. Weiterhin sollen bei
erfolgreicher Kontrolle die Kontrollkräfte
und
verschwindend klein werden (nichtinvasive Kontrolle).
Dies wird im allgemeinen durch verschiedene Varianten der zeitverzögerten
Autosynchronisation (Pyragas-Kontrolle) erreicht [1,2,3].
Hier war unser Ziel, diese Verfahren auf Raum-Zeit-Muster zu erweitern.
Insbesondere verwendeten wir als Ausgangspunkt eine lokale
Rückkopplung in der Form
,
(diagonale Kopplung), mit
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Für die Anwendung sind insbesondere Kontrollschemata interessant,
welche mit einem möglichst kleinen Verstärkungsfaktor
auskommen.
In dieser Hinsicht erwies sich ein neues Kontrollschema, welches wir
in Zusammenarbeit mit W. Just entwickelten [14],
als überraschend effizient.
Für dieses Kontrollschema werden zunächst die
Floquet-Linkseigenmode
und die mit dem adjungierten Problem
assoziierte Floquet-Rechtseigenmode
für den größten Floquetexponenten
des zu stabilisierenden Orbits berechnet. Ein konkretes Beispiel für
solche Moden ist in Abb. 2 dargestellt.
Die Kontrollkräfte werden dann wie folgt konstruiert:
Bei der Anwendung dieser Kontrollkräfte auf das generische Modell entdeckten
wir, dass die Kontrolle auch für extrem kleine
-Werte noch
funktioniert, d.h. die Kontrollschwelle wird um sechs Größenordnungen
gesenkt, wie in Abb. 3 durch den
Vergleich mit der diagonalen Kontrolle demonstriert wird. Bei der
näheren Untersuchung dieses Phänomens stellten wir fest, dass eine
Phasenverschiebung
des kontrollierten Orbits gegenüber der Phase
der Floquetmoden eine wichtige Rolle spielt, welche wir zunächst durch
störungstheoretische Überlegungen behandelten [14].
Wir wandten diese neuartige Floquetmodenkontrolle
auch auf das Rössler-Modell an [24]. In
diesem niederdimensionalen System gelang es uns, die Abhängigkeit der
minimalen Kontrollstärke von der Phasenverschiebung
über den
störungstheoretischen Ansatz hinaus zu analysieren.
Durch eine geeignete Erweiterung der Floquetmodenkontrolle auf zwei instabile Moden gelang es uns erstmals, lokalisierte raum-zeitliche Muster (Spikes) gezielt an einer gewählten Position des Systems zu platzieren [14]. Während die stabilen oder instabilen Raum-Zeit-Spikes in einem global gekoppelten Reaktions-Diffusions-Systems mit Neumann-Randbedingungen normalerweise immer am Rand des Systems gepinnt sind, konnten wir mit der erweiterten Floquetmodenkontrolle den Spike bei verschwindender Kontrollkraft in der Mitte des Systems stabilisieren. Hierbei handelt es sich um die Kontrolle eines instabilen Orbits auf dem Repellor.